Die kurvenreiche Schöne

Motorradtouren auf Korsika ©Heinz E. Studt

Korsikas Pisten rufen

Frankreichs wohl schönste Insel lädt bereits ab Mitte März zur Kurvenhatz ein. Das fortwährende Wechselspiel der Landschaften ist einer der Höhepunkte Korsikas. Während entlang der Ostküste weite Sandstrände unterbrochen durch Lagunen und Flussdeltas dominieren, zeigt sich die Westküste rau und felsig, zerklüftet und atemberaubend steil. Dazwischen locken uns sehenswerte Städte.Viermal war ich nun schon auf dieser herrlichen Insel „gleich hinter dem Brenner“. Und jedes Mal habe ich am Ende der Reise ganz bewusst den berühmten Seitenkoffer zurückgelassen, um einen triftigen Grund zu haben für eine Wiederkehr.

Obwohl ich den eigentlich gegenüber Sozia Kirsten gar nicht brauche, denn um sie zu überzeugen, reicht es bereits, leicht fragend den Namen der Insel zu erwähnen. Um Korsika ausgiebig und vor allem gepäckbefreit erkunden zu können, suchen wir uns meistens je einen Tourenstandort an West- und an Ostküste. Gleich zu Beginn zum Beispiel das zauberhafte Städtchen Porto inmitten einer malerischen Bucht mit dem wohl schönsten Sonnenuntergang der Insel. Kaum aus dem mächtigen Bauch der Nachtfähre von Livorno nach Bastia entkommen, treibe ich die BMW R1200 GS Rallye Richtung Porto. Natürlich nicht auf direktem Weg! Nein, zur perfekten Einstimmung geht es erst einmal rund um das legendäre Cap Corse. Eine 150-km-Runde, die es wahrlich in sich hat. 

Der schönste Zipfel des Mittelmeeres

TOUR 1 – 328 km – ca. 5 Stunden – Navigationsdaten zur TOUR 1 über Kurviger.de laden

Knapp oberhalb der Gischt huschen wir auf der sich im Norden Bastias anschließenden Küstenstraße dahin. Das Visier weit geöffnet, die Lungen prall gefüllt mit frischer Seeluft. Die Ausblicke über die Gashand auf die Weite des Meeres mit seinen weißen Fährschiffen sind legendär. Malerische Nester dösen auf Felsenterrassen im prallen Sonnenschein, immer wieder gönne ich der BMW und uns die ein oder andere Sackgasse hinauf in die Berge. Wie den Abzweig auf die Serra di Pigno Hochebene. Herrlich!


In Macinaggio, dem nördlichsten Badeort Korsikas, quirlt das Leben laut und bunt. Tagesausflügler des Cap Corse und Segler aus allen Teilen der Welt genießen in den zahlreichen Restaurants und Kneipen am Hafen den sonnigen Tag. Auch wir gönnen uns einen kurzen Boxenstopp, bevor mich ein winziger Wegweiser nach Barcaggio lockt. Eine üble Schlaglochpiste dirigiert uns mitten hinein in die wilde Urtümlichkeit von Korsikas „Lands End“. Eine Handvoll bunte Hütten, ebenso viele alte Fischerboote, die müde im winzigen Hafen des noch winzigeren Dorfes dümpeln – das war’s auch schon. Immer auf Tuchfühlung zum schäumenden Abgrund treibe ich unsere „Rallye-GS“ über das malerische Port de Centuri weiter nach Nonza. Ein imposanter Genueser Turm wacht seit Jahrhunderten über dem malerischen Ort. Über das naheliegende Calvi wachen in unseren Tagen ganz andere „Kameraden“. In Sichtweite zur Stadt liegt die letzte korsische Garnison der berüchtigten Fremdenlegion. Malerisch in einer weiten Bucht gelegen, besitzt Calvi zudem den neben Bastia wichtigsten Fährhafen Korsikas. Im Schatten der imposanten Zitadelle reihen sich am Quai Landry Cafés und Restaurants aneinander, ideal für einen leckeren Boxenstopp mit Meerblick. Mein Einkehrtipp dazu: das A Piazetta am Place Marchal nahe der Zitadelle. Und der Rest unserer Fahrt nach Porto ist eh nur noch ein Katzensprung, allerdings ein herrlich kurvenreicher.imagesWerbungA Banner kurvige zeiten B 290 px H 258 px

Ort der Zuflucht

TOUR 2 – 405 km – ca. 7 Stunden – Navigationsdaten zur TOUR 2 über Kurviger.de laden

Ein weiteres Highlight der Insel gönnen wir uns gleich anderntags: die Calanches und den felsigen Westen Korsikas. Jene Calanches sind eine imposante, in Jahrmillionen von der Natur erschaffene Felsküstenformation. Den „Ort der Zuflucht“ nennen ihn die Korsen, eine Steinschlag gefährdete Straße schlängelt sich durch die keck in den blauen Himmel ragenden Felsen. Nur wenige schmale Parkbuchten bieten die Möglichkeit, das Motorrad abzustellen und das Panorama zu genießen. Da jetzt früh am Morgen die Sonne aber noch lange Schatten auf die Piste legt, beschließen wir abends für ein paar Fotostrecken nochmals wiederzukommen. Selbst auf die Gefahr hin, dann von Pkw und Wohnmobilen „gescheucht“ zu werden. Denn die Calanches sind das berühmteste Naturschauspiel des Inselwestens. Unseren weiteren Tourentag füllen wir nun erst einmal mit dem Besuch Ajaccios sowie einer ausgiebigen Hatz durch das Hinterland randvoll. Natürlich inklusive Col de Sevi und direktem Kontakt zu den ewig hungrigen und höchst neugierigen Ureinwohnern der Insel.

Korsikas faszinierende Bandbreite an Landschaften zeigt sich auch beim direkten Vergleich zwischen Nord und Süd, zwischen Cap Corse und Bonifacio, dem Touristenziel des Südens. Auf einem mächtig bröckelnden Kreidefelsen thront der Ort anderntags direkt vor unserem Windshield in einmaliger Postkartenlage hoch über der tosenden Brandung. Unzählige Wein- und Souvenirhändler, Andenkenläden und Kneipen säumen die sich mit Touristen rasch füllenden Altstadtgassen. Eine steile Steintreppe führt hinunter ans Meer. Und erst von hier aus kann man erkennen, wie sehr die Kreidefelsen bereits von den immerwährenden Gezeiten ausgehöhlt wurden. In einigen Häusern im ältesten Teil des Ortes würde ich nicht mehr bedenkenlos nächtigen wollen.Uralte Genueser Türme begleiten uns anschließend entlang der Küste Richtung Porto-Vecchio, unserem zweiten Tourenstandort. Mehr als 100 dieser Rundtürme zierten im 15. und 16. Jahrhundert die Küstenlinie Korsikas, waren Teil eines ausgeklügelten Sicherungssystems. Einige von ihnen existieren zumindest noch in Ruinen. Porto-Vecchio, Korsikas drittgrößte Stadt, liegt auf einem einst perfekt befestigten Hügel am gleichnamigen Golf. Direkt am alten Hafen parke ich den Bajuwaren-Boxer für einen Rundgang sowie die anschließende Zimmersuche.

Geschichte und Natur im Wechselspiel

TOUR 3 – 549 km – ca. 9Stunden – Navigationsdaten zur TOUR 3 über Kurviger.de laden

Nach all der touristischen Pracht reizen uns am nächsten Morgen dann erneut die Berge Korsikas, hier versammelt im 1972 gegründeten „Parc Naturel Régional de la Corse“. Gleich hinter den letzten Häusern von Porto-Vecchio startet die Kurvenhatz, beginnt dieser Genuss für alle Sinne. Durch den „Forêt de L’Ospedale“ dirigiere ich die R1200 GS bergan. Mächtig dunkle Wolken empfangen uns oben am Col de Bacino ohne jedoch ihre Schleusen zu öffnen. Bereits in Zonza, einem der wenigen Knotenpunkte im Alta Rocca Gebirge, scheint uns wieder die Sonne. Frisch geschälte Korkeichen säumen den anschließenden Weg hinauf nach Corte, der berühmtesten Stadt im gebirgigen Herzen der Insel. Sarazenen und mittelalterliche Feudalherren siedelten sich in der fruchtbaren Landschaft dieses natürlichen Hochtales an und errichteten zu Füßen eines mächtigen Felsspornes ein kleines, aber bedeutendes Handelszentrum. Genueser Kaufleute bauten Corte zu einem befestigten Sitz ihrer Gerichtsbarkeit aus, Spanier eroberten das Land und die Stadt und spendierten zum Schutz gegen allgegenwärtige Gefahren auf den Felssporn eine mächtige und weithin sichtbare Zitadelle. In blutigen und verlustreichen Kämpfen befreiten auch die Korsen ihre Stadt in den Bergen immer wieder von Fremdherrschaften, doch meist nur für kurze Zeit. 1769 verloren die korsischen Separatistenbewegungen endgültig gegen die Truppen der weithin überlegenen Franzosen und ihre Heimat einschließlich Corte fiel an Frankreich.Heute schmückt sich Corte gerne mit dieser wechselvollen Geschichte und präsentiert seine Sehenswürdigkeiten rund um den Place Paoli mit seinen hübschen Straßencafés. Gleich nebenan geht es über alte Stiegen und ausgetretene Treppen steil bergan in die Viertel der „Ville Haute“ mit ihren winzigen Andenken- und Tante-Emma-Läden. Sehr sehenswert und perfekt zu „garnieren“ mit meinem Einkehrtipp: das Terra Corsa in der Rue Monseigneur Casanova direkt am Aufstieg zur Zitadelle. Traditionelle korsische Küche zu fairen Preisen. Lecker!

Und zum Dessert gibt es heute: Restonica! Auf einer perfekt geteerten Sackgasse dirigiere ich unsere BMW in das wohl schönste Tal der Insel, das weltberühmte Restonica-Tal. Verkohlte Baumstämme rechts und links des Lenkers erzählen von den alljährlich wütenden Waldbränden, die sogar das Hochland nicht verschonen. An der „Bergéries de Grotelle“ endet der erfahrbare Teil des beeindruckenden Restonica-Tales. Das Konglomerat aus einfachen steinernen Hütten döst am Rande eines überdimensionierten Parkplatzes vor sich hin. In einer unscheinbaren, mächtig windschiefen Scheune liegen Prachtexemplare der „charcuterie corse“ zum Verkauf aus. Diese äußerst würzig schmeckenden Schinken- und Rauchwurstwaren sind Korsikas Verkaufsschlager Nummer eins. Die kastanien- und kräuterreiche Ernährung der oftmals halbwilden Schweine sowie das Räuchern ihrer Schinken nach uralten Rezepten über echtem Holzfeuer fördern die Würzigkeit des Fleisches ungemein. Wie gut, dass ich heute Morgen ein freies Plätzchen im Topcase extra hierfür reserviert habe. So werden unsere Erinnerungen an Korsika auch über den Gaumen ganz besonders intensiv nachklingen.
Ebenso, wie der Rest unseres Weges retour nach Bastia. Das lang schon im Voraus gebuchte Fährticket setzt uns leider enge zeitliche Grenzen. Doch ich weiß, dass es nur eines einzigen Wortes bedarf, um Sozia Kirsten wieder zu begeistern für einen weiteren Besuch auf der wohl schönsten Insel im Mittelmeer …

Text und Fotos© Heinz E. Studt, Januar 2020

Gut zu wissen

Unterkünfte

Rund 100 Campingplätze, ungezählte Gasthöfe (Auberges) sowie Ferien-Appartements bis hin zu Hotels sämtlicher Preisklassen stehen zur Auswahl. Außerhalb der französischen Sommerferien (Juli und August) sogar ohne großartige Vorabreservierung nutzbar. Unserem Autor gefiel es

Zwei schön gelegene Campingplätze kann unser Autor auch empfehlen:

  • Camping Les Oliviers im Weiler Ota östlich von Porto, mit Glamping-Angeboten, Mietunterkünften und herrlicher Lage
  • Camping U Pirellu nahe Porto-Vecchio an der Route de Palombaggia, ebenfalls mit Mietunterkünften und vielem mehr

Fährverbindungen

Corsica Ferries 

Moby Lines 

Kartenmaterial

Michelin Local Straßenkarte Nr. 345 „Korsika“, Maßstab 1:150.000, Michelin Verlag, ISBN 978-2067134515, Preis 8,99 €.

Adressen

Atout France - Französische Zentrale für Tourismus zur Homepage

Buchempfehlung

Die schönsten Motorradtouren in FRANKREICH, selbstverständlich mit einem ausführlichen Korsika-Teil, ist im Bruckmann Verlag erschienen. Es enthält 288 Seiten und 250 Abbildungen.

Heinz E. Studt, Bruckmann Verlag, ISBN 978-3734310355

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!