Gib mir ein E!
Mit der Harley LiveWire durchs Saarland
In unserem Artikel Fluss und Genuss hatten wir Euch ja bereits 4 Touren (Nr. 8/9/11/12) mit Start und Ziel Saarland vorgestellt. In diesem Artikel wollen wir näher auf unser Tourenfahrzeug eingehen, die Elektro-Harley „LiveWire“.
Wir waren dabei einer Einladung der Tourismus Zentrale Saarland gefolgt, mit der wir gemeinsam bereits eine Tourenkarte und ein vielfach aufgerufenes Motorradvideo umgesetzt haben. Die Aufgeschlossenheit gegenüber dem Thema Motorrad ist dort erfreulich groß, vor allem auch bzgl. der Entwicklung im Bereich der E-Motorräder. Unser Fotograf und Technikfreak Peter Wahl hat sich neben der Produktion schöner Fotos ausgiebig mit dem außergewöhnlichen E-Bike beschäftigt.
Ungewohnter Anblick
Ein äußerst netter Empfang in der Harley Davidson Pressewerkstatt nahe Montabaur, verbunden mit einer sachverständigen und dennoch knapp gehaltenen Einweisung in die Bedienung der LifeWire, eine kurze Probefahrt auf dem Werkstatthof und schon stand das erste Elektromotorrad eines Großserienherstellers im Laderaum unseres Transporters. Unser Ziel für die Redaktionstour war das Saarland. Nach der Ankunft im Saarland, auf dem rund 400m hohen Litermont im gleichnamigen Hotel, wurde flugs ausgeladen und die LifeWire für die ersten Fotos in Stellung gebracht. Gastgeber Volker schaute ungläubig drein: „Also wenn da nicht Harley drauf stünde, ich würd´s nicht glauben“.
Auf den ersten Blick
Das Motorrad (den Zusatz Elektro denken wir uns ab jetzt immer dazu) hat ein völlig anderes Design, als man es von den Milwaukee Leuten kennt. Modern, sportlich geduckt, mit kurzem Heck und flachem Lenker wirkt sie eher wie ein Sprinter im Startblock, bereit jeden Moment loszustürmen. Der Antrieb samt Akku ist unter der Tankattrappe das zentrale Element, durch die Farbgebung sehr geschickt getarnt und dennoch futuristisch. Die Front mit einer voll einstellbaren Showa Telegabel, den in dieser Klasse üblichen 17 Zoll Rad und Doppelbremsscheiben, trägt einen LED Scheinwerfer in einer steckbaren Frontmaske. Auch das freistehende Hinterrad mit einem breiten 180er Reifen wird von einem voll einstellbaren Showa-Federelement in der Dreiecksschwinge geführt. Natürlich sind auch Kurven- ABS und - ganz wichtig - eine Traktionskontrolle mit an Bord.
Touch me
Das 109mm LTE- fähige Touch-Display für alle relevanten Anzeigen liefert zusätzlich umfassende Funktionen für Fahrzeugkontrolle, Kommunikation und Entertainment. Ich verweise hier abgekürzt auf die Bedienungsanleitung des Herstellers. Die Lenkerarmaturen sind intuitiv zu bedienen, auch wenn der Blinker mit je einer Taste rechts oder links betätigt wird. Die Rückstellung erfolgt nach dem Abbiegen automatisch. Die Sitzposition ist moderat sportlich nach vorn orientiert. Mit 780mm Sitzhöhe und einem insgesamt tiefen Schwerpunkt lassen sich die immerhin rund 250kg Leergewicht gut und sicher rangieren. Die Gewichtsverteilung ist auch später im Fahrbetrieb ein Faktor für die Handlichkeit.
„Auftanken“
Bevor es losgeht noch ein kurzer Exkurs in die Elektrowelt. Unter der „Tankklappe“ verbirgt sich die Anschlussbuchse für die Betankung der LiveWire. Die Belegung entspricht hier dem aktuellen Elektromobilstandard. Für das Wechselstromladen in Stufe 1 ist unter der Sitzbank ein Ladegerät eingelegt, das mit einer üblichen Schukodose den 15,5 kWh Akku in ca. 10 Stunden auflädt. Das geht zuhause, unterwegs an allen Ladestationen oder überall, wo eine solche Steckdose verfügbar ist. Wir haben zum Beispiel auf der Schaumburg, während einer Pause, für rund 15 km zusätzliche Energie aus einer E-Bike Station gezogen. Für die Stufe 2, Wechselstromladung mit mehr Leistung, hat die LiveWire keine Ladevorrichtung und entfällt somit. Die Schnellladung Stufe 3, mit hohem Gleichstrom, ist an der passenden Ladesäule für das Bike möglich und lädt den Akku in 40 Minuten auf 80% und in einer Stunde zu 100%. Hierzu muss aber ein spezielles, sperriges Ladekabel mitgeführt werden, was auf dem Motorrad unterwegs nur schwierig zu realisieren ist.
Und dann mal los
Die ersten Fotos sind gemacht, nun wird es Zeit der LiveWire das Saarland zu zeigen. Mit dem Keyless Transponder in der Jackentasche drückt man für 3 Sekunden den „Anlasserschalter“ an der gewohnten Stelle und das Display erwacht lautlos zum Leben. Im Antriebsblock spürt man eine leichte, rhythmische Bewegung. Der Akku steht bei 94%, von den 4 wählbaren Fahrmodi haben wir die Stufe 3, „Road“ ausgewählt und schon kann es losgehen. Leicht am „Gasgriff“ gedreht setzt sich das Motorrad nahezu geräuschlos aber äußerst nachdrücklich in Bewegung. Es gibt kein Kuppeln und kein Schalten, jede Bewegung am Gas-(Power) Griff wird nahtlos umgesetzt. Dies gilt für das Beschleunigen als auch für das Verzögern. Beim Gaswegnehmen wird durch Rekuperation des Antriebs, abhängig vom eingestellten Fahrmodus, wieder Energie in den Akku zurück geladen. Die Beschleunigung ist fantastisch, der Elektromotor liefert permanent 116 Nm Drehmoment und schiebt das Bike vom Stand weg bis zur Höchstgeschwindigkeit beeindruckend vorwärts. Die automatische Traktionskontrolle sorgt dabei in allen Fahrmodi für guten Grip und verhindert sicher mögliche Wheelies.
Ran ans „Gas“
Die sanfte Gewalt, mit der das alles passiert, ist mit einem Verbrennungsmotor nicht zu vergleichen. Der „Gasgriff“ dirigiert das gesamte Geschehen und zaubert ein unmissverständliches Lächeln in das Gesicht des Fahrers. Hierzu liefert das agile Fahrwerk der LiveWire ebenfalls einen großen Anteil. Das Motorrad folgt easy der angedachten Linie und lässt sich jederzeit einfach korrigieren. Die Federelemente sind individuell sehr feinfühlig einstellbar, was wir am Ende unserer Probefahrten einmal getestet haben. Die meiste Zeit waren wir mit der Grundeinstellung sehr zufrieden. Die Bremsanlage der LiveWire verzögert ordentlich, sicher und spurgenau. Durch die Rekuperation im Schiebebetrieb werden die Bremsen jedoch viel weniger genutzt, als bei vergleichbaren Benzinern. Gerade weil man mit dieser Art der Verzögerung ordentlich Reichweite generieren kann, bietet sich diese vorausschauende Fahrweise an.
Praxis-Reichweite
Hier kommen wir nun zum Thema Reichweite der Harley LiveWire. Der Hersteller gibt, abhängig vom Einsatz, eine Spanne zwischen 150 und 210 km an. Nach unserer Erfahrung können wir im Mix aus Autobahnkurzstecke, Landstraßentour und fotografisch bedingtem Hin und Her mit vielen Beschleunigungsmanövern die Werksangabe bestätigen. Achtet man ein wenig auf den geforderten Energieeinsatz und nutzt z.B. Gefällstrecken im Schiebebetrieb zum Laden, lässt sich die Reichweite noch ein wenig ausdehnen. An einem unserer Fototage hat uns die LiveWire allerdings einen früheren Dienstschluss beschert, da uns die Restreichweite im Display mahnte, allmählich den Rückweg anzutreten. An der Steckdose in der Hotelgarage angekommen betrug die Ladekapazität noch 5%. Es hat also gereicht, aber geschwitzt haben wir doch ein wenig.
LiveWire-Fazit
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass neue Wege zu beschreiten und Alternativen für die Zukunft auszuhecken viel Mut voraussetzt. Harley Davidson hat diesen Mut bewiesen und ist den renommierten Mitbewerbern in der E-Technik sicher ein ordentliches Stück voraus. Völlig unangebracht ist es dabei, sich schadenfroh an der einen oder anderen Panne zu erfreuen, die es zu Beginn gegeben hat.
Das Motorrad strahlt, nicht zuletzt durch die fulminante Optik, Sportlichkeit und geballte Kraft aus. Sicher wird sie aktuell eher ein Zweit- oder Drittmotorrad für eine Käuferschicht sein, die bereits beim Kauf ihres ersten Milwaukee-Eisens nicht ans Eingemachte musste. So steht dann vielleicht statt einer Panigale eine LiveWire neben der Road King in der Garage.
Ganz sicher werden wir uns in Zukunft mit den Themen Umwelt, Lärm und Nachhaltigkeit noch viel mehr auseinandersetzen müssen. Es gibt inzwischen ja auch Hinweise dafür, dass dies bereits nach den Wahlen im September der Fall sein könnte. Abgesehen von der unbedingt zu lösenden Reichweite- und „Nachtank“-Problematik ist die Frage wie die Seele des Motorradfahrers das Fehlen von Motorsound und Vibrationen verkraftet? Ein Grund mit dem Motorradfahren aufzuhören sind E-Bikes vom Schlage einer LiveWire ganz sicher nicht.
Harley-Davidson LiveWire – Daten kompakt
Motor: Permanentmagnet-Elektromotor, flüssigkeitsgekühlt
Dauerleistung: 78 kW (106 PS) bei 11.000 U/min
Nennleistung: 82 PS (60 kW) bei 8.000 U/min
Max. Drehmoment: 117 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 177 km/h (abgeregelt)
Null auf 100 km/h: unter 4 Sek.
Antrieb: Zahnriemen
Antriebsbatterie: Lithiumionen-Akku
Batteriekapazität: 15,5 kWh (brutto)
WMTC-Reichweite: 158 km
AC-Ladezeit: ca. 12,5 Std.
DC-Schnell-Ladung: ca. 1 Std.
Sitzhöhe: 780 mm
Gewicht: 249 kg
Bereifung: 120/70 ZR17 (v.) / 180/55 ZR17 (h.)
Preis: ca. 33.000,— €
Weitere Infos, das Händlerverzeichnis und die Möglichkeit eine Probefahrt zu buchen, findet ihr hier
Unterwegs im Saarland - Infos und Touren
Tourismus Zentrale Saarland GmbH
Trierer Str. 10
66111 Saarbrücken
Tel. 0049 681 927200
www.urlaub.saarland
Unser Redaktionsteam durfte bereits vor einigen Jahren in den Genuss des Motorradlandes Saarland kommen. Als Protagonisten im seinerzeit produzierten Saarländer Motorradvideo lernten wir so manch schöne Strecke kennen und lernten das kleine Bundesland als Start- und Zielpunkt begeisternder Motorradtouren kennen. So hatten wir mit der Elektro-Harley bereits einige Ziele im Auge, die uns in guter Erinnerung geblieben waren.
Im Saarland trifft der Motorradurlauber auf eine optimal vorbereitete Touristik, die mit einer gut gemachten Webseite, einer bauchbaren Motorradkarte und engagierten Gastgebern ein deutliches „Biker welcome!“ kommuniziert.
Die folgenden Tourenvorschläge sind im Artikel "Fluss und Genuss" näher beschrieben:
Tour 8 - Rundtour ab der Saarschleife - Navigationsdaten zur TOUR 8 bei KURVIGER.de laden
Tour 9 - Rundtour ab Mettlach - Navigationsdaten zur TOUR 9 bei KURVIGER.de laden
Tour 11 und Tour 12 führen ins benachbarte Frankreich - Navigationsdaten zur TOUR 11 bei KURVIGER.de laden , Navigationsdaten zur TOUR 12 bei KURVIGER.de laden